Bei uns heißt es "per Anhalter fahren" oder "trampen".
Die Neuseeländer sagen dazu "hitch-hiking".
Im Grunde genommen ist es aber immer das gleiche Prinzip; man besitzt weder ein Auto, noch Geld, möchte aber reisen. Also stellt man sich an den Rand einer gut befahrenen Straße und hält entweder den Daumen oder ein Schild, auf dem das Ziel steht, heraus. Irgendjemand wird schon anhalten ^^ In Deutschland, oder jedenfalls dort, wo ich herkomme, ist diese Art zu Reisen eher unüblich. Vor Neuseeland wäre ich auch nie auf die Idee gekommen, es auszuprobieren. Aber für einen ordentlichen Backpacker gehört es sich einfach, es einmal auszuprobieren. Aber später mehr dazu!
Der Abschied vom Apple Tree fiel schwer. Die Menschen dort waren uns einfach so sehr ans Herz gewachsen. Und Tauranga selbst war für mich wie eine zweite Heimat geworden. Aber es gibt noch so viel zu sehen hier in Neuseeland. Also packten wir unsere Sachen zusammen (mein Rucksack ist um gefühlte 10kg schwerer geworden) und nahmen den Nakedbus. Nakedbus ist einer von mehreren Busunternehmen, die durch ganz Neuseeland fahren. An jedem iSite (so etwas ähnliches wie ein Reisebüro, das es an jedem Busbahnhof gibt) oder im Internet kann man sich für einen bestimmten Tag einen Bus buchen. Je früher man bucht, desto billiger ist das Ticket. So kann es zum Beispiel passieren, dass man für eine lange Strecke nur $1 bezahlt, wenn man nur ganz weit im Voraus bucht. Unser Ziel war Napier an der Hawkes Bay. Eine fünf-stündige Fahrt stand uns bevor. Genug Zeit also, um ein Buch zu lesen oder ein Hörbuch zu hören. Aber dazu kam ich gar nicht, da die Landschaft, durch die wir fuhren, so beeindruckend war, dass ich fünf Stunden lang gebannt aus dem Fenster starrte. Es ist wirklich faszinierend, wie schnell sich die Landschaften ändern. Gibt es an der Bay of Plenty tausende, wie gemalt grüne Hügel, auf denen unzählige Schafe und Kühe grasen, so sieht man, wenn man in Richtung Hawkes Bay fährt, Nadelwald, Büsche und Berge. Und dann näherten wir uns Napier. Die Stadt liegt direkt am Hafen und ist von Fischerei, Seeverkehr und Tourismus geprägt. Zudem ist Napier, neben Tauranga, die Stadt mit den meisten Sonnenstunden im Jahr. Nicht weit entfernt liegt das Cape Kidnappers - der erste Ort auf der Erde, an dem die Sonne aufgeht!
Napier wurde im zwölften Jahrhundert erstmals von einem maorischen Stamm besiedelt. Ein Großteil dieses Gebietes wurde dann in den 1850ern von der britischen Krone aufgekauft und nach dem britischen General und Kolonialadministrator Charles Napier benannt. Am 3. Februar 1931 wurde die Stadt von einem schlimmen Erdbeben heim gesucht (7, 9 auf der Richter Skala). Nahezu alle Häuser wurden dabei zerstört. Plötzlich fand sich die Stadt 4qkm höher, denn das Erdbeben hatte eine einstige Lagune empor gehoben. Daraufhin wurde die Stadt neu erbaut - diesmal in einem 30er Jahre Art Deco Stil, die ihr den Titel "Napier - Capital of Art Deco" einbrachte. Das Interessanteste an Napier ist nun also nicht nur der schöne Hafen, der schwarze Steinstrand und das spektakuläre Gefängnis, sondern auch seine Architektur. Wandert man durch die Innenstadt, so fühlt man sich manchmal in die 30er Jahre zurück versetzt. Außerdem ist die gesamte Hawkes Bay, wie das Rheingebiet in Deutschland, für seinen Weinanbau bekannt. Überall werden Weinproben angeboten, es gibt sogar eine Wine Street.
An unserem ersten Tag in Napier sahen wir uns die Stadt selbst an. Wir bummelten in einem Art Deco Shop, erklommen den Bluff Hill (einem Aussichtspunkt, von dem aus man ganz Napier und das unendliche Meer bestaunen kann) und besuchten das National Aquarium of New Zealand. Wir beobachteten eine Haifischfütterung, sahen Pinguine, riesige Schildkröten, Piranhas, Seepferdchen und sogar einen Kiwivogel :)
Am zweiten Tag war unser Ziel Te Mata Peak. Und hier kommt das Stichwort hitch-hiking ins Speil. Te Mata Peak ist ein Berg, ca. eine halbe Stunde mit dem Auto von Napier entfernt. Da wir aber kein Auto besitzen, wollten wir es einmal mit hitch-hiking versuchen. Es gibt natürlich einige Dinge die man, wenn man schon so mutig ist, so etwas auszuprobieren, aus Sicherheitsgründen beachten sollte. Niemals allein per Anhalter fahren. Und besonders nicht, wenn man ein Mädchen ist. Wenn ein Auto anhält, um einen mitzunehmen, sollte man auch immer zuerst fragen, wo der andere hin will, bevor man selbst sein Ziel offenbart. Erstens gibt es einem Zeit, zu entscheiden, ob man bei diesem Anhalter auch wirklich mitfahren möchte und zweitens hat der Anhalter dann nicht die Gelegenheit zu sagen: "Was? Du willst nach Te Mata Peak fahren? Oh ja, da möchte ich auch hin", obwohl er dabei eine ganz andere Sache verfolgt. Auf unsere erste Mitfahrgelegenheit mussten wir nicht lange warten. Ein Mitte 20 jähriger Kwi-Amerikaner mit einem Hund fuhr uns direkt zum Fuße des Te Mata Peak. Hatte ich vorher gegenüber des hitch-hikings noch Zweifel gehabt, war ich nach dieser Begegnung eher positiv davon überrascht. In Neuseeland kommt es sehr häufig vor, dass Backpacker per Anhalter fahren. Erstens, um kostenlos von einem Ort zum anderen zu kommen und zweitens, um Einheimische zu treffen. Unsere Wanderung zum Te Mata Peak war lang und mühselig. Die Sonne schien und trotz Sonnencreme bekamen wir einen leichten Sonnenbrand (das Ozonloch lässt grüßen). Außerdem machte sich zum ersten Mal seit Monaten wieder meine Allergie bemerkbar. Die Hawkes Bay ist kein guter Ort für mich^^ Aber am Ende sollte sich die ganze Anstrengung lohnen. Von der Spitze des Te Mata Peak aus kann man die gesamte Hawkes Bay überblicken. Sogar bis zum schneebedeckten Mount Ruapehu, der im Tongariro National Park liegt, kann man sehen. Und der Lookout des Te Mata Peak beherbergt hunderte Marienkäfer, die, während man die Landschaft bestaunt, in Scharen auf einem landen. Zurück nach Napier nahmen uns gleich mehrere Leute mit; eine Asiatin bis nach Havelock North, eine Krankenschwester bis nach Clive und ein älterer Herr bis nach Napier. Unser letzter Anhalter, der ältere Herr, gabelte uns mit seinem geländigen Auto an einer Bushaltestelle auf. Wir waren keine zwwi Minuten mit ihm gefahren, da meinte er, während er auf eine Ansammlung kleinerer Häuser zeigte: "Hier arbeite ich übrigens. Soll ich euch schnell rum führen?" Wir hatten kaum die Gelegenheit, etwas zu erwidern, da bog er auch schon auf das Anwesen ab. Er arbeitete in einer Behindertenwerkstatt, nur wenige Meter von Clive entfernt. Die Behinderten dort stellen Handcrafts (zB. Socken, Tücher, Decken, Holzschnitzereien etc.) her und verkaufen frische Milch, Obst, Gemüse und selbst gemachten Käse un einem eigenen kleinen Hofladen. Es ist echt erstaunlich, wo man landet, wenn man per Anhalter fährt! :) Die Menschen dort empfingen uns mit offenen Armen und zeigten uns stolz ihre Arbeit. Danach ging es weiter Richtung Napier. Allerdings kamen wir nicht weit, denn der Mann bog noch einmal ab - diesmal fuhren wir an einen Steinstrand entlang, bei dem ich Angst hatte, wir würden gleich stecken bleiben und das Auto wieder befreien müssen. Aber wir rechneten es ihm hoch an, dass er uns so viel zeigen wollte. Am Ende lud er uns immerhin wohl behalten am YHA Napier ab. Lisa und ich waren so begeistert vom hitch-hiking, dass wir uns vornahmen, am nächsten Tag zurück nach Tauranga zu trampen. Also fragten wir an der Rezeption des Hostels nach einem Plakat und einem dicken Markwr und bastelten uns ein Schild, auf dem auf der einen Seite "Taupo" stand und auf der anderen Seite "Tauranga :)". Wir müssen nur jemanden finden, der uns mit nach Taupo nimmt, so sagte ich mir, dann ist es nicht mehr weit nach Tauranga. Eigentlich war es ein gewagtes Unternehmen. Zwei Mädchen stehen an einer Straße und hoffen darauf, dass sie jemand innerhalb eines Tages 500km mitnimmt. Aber wir standen keine viertel Stunde mit unserem hübschen Schild am Highway Richtung Taupo, da hielt auch schon ein Lkw an, der uns sogar direkt nach Tauranga mitnehmen konnte. Der Fahrer hieß Fred und war es anscheinend schon gewohnt, Backpacker auf seiner Reise durch Neuseeland mitzunehmen. Sogleich drückte er uns eine Tüte mit einer Art Donut in die Hand und meinte: "Help youself" - "Bedient euch". Die fünfstündige Fahrt in dem Lkw war eigentlich ganz cool. Wenn man so hoch sitzt, kann man die ganze Landschaft um einen herum noch viel besser erfassen. Nach einem gemeinsamen Foto mit ihm und tausend Danksagungen, brachte er uns mit seinem riesigen Lkw sogar bis vor die Haustür des Apple Trees, wo wir noch bis zum 1. Dezember bleiben werden und dann einen Bus nach Wellington nehmen. Am 5. Dezember nehmen wir die Fähre auf die Südinsel und werden uns Arbeit in Blenheim suchen, wo es viele fruitpicking jobs geben soll. Aber ich halte euch natürlich auf dem Laufenden!
Bis dahin,
Tüdelü :)